"Seit vierzig Jahren hat, Henri Chopin zuerst mit seiner Zeitschrift über Klangpoesie OU (1964-1974), dann durch seine Auftritte bei verschiedenen internationalen Festivals der Klangpoesie und durch seine persönlichen Experimente in den Experimentalrundfunkstudios von Köln, Paris, Australien, Canada und Schweden, du Canada, ebenso wie durch seine Konzert-performances quer durch Europa nicht aufgehört Wege zu unerforschten Räumen zu eröffnen, die über bisher registrierte Klänge und über die moderne une experimentelle Musik hinausgehen, sich jedes Notationssystems entledigen und in nicht klassifizierbare Räume ohne Normen, ohne Definitionen und Grenzen vordringen, die ständig mutieren mittels eines Mikrofons, eines Tonbandgeräts, der Montage, des Mischpults und der Verstärker.
Aber Henri Chopin produziert nicht eine neue Musik trotz aller Indizien, die dafür sprechen: sie gehorcht nicht den Prinzipien der konkreten Musik eines
Pierre Schaeffer oder den Experimenten Pierre Henry der 50er Jahre. Henri Chopin ist ein Individuum (im Sinne Max Stirners: ein Einziges und seine Eigentlichkeit), das sich immer den absurden Einschränkungen und Festlegungen auf Bewegungen, -ismen und Schulen; was man wahrnimmt, sind die bio-physikalischen Schwingungen des Henri Chopin, die von ihm selbst mittels eines Tonbandes aufgenommenen (modifizierten, verstärkten, verwandelten) Energien seines eigenen Körpers.
Es handelt sich um eine Sprache ausserhalb der institutionellen Sprachen, eine Sprache vor der Sprache (der auditiven Zeichen, der energetischen und spielerischen Signale der Wale und Delfine), eine Sprache über der Sprache, eine Sprache des Rauschens, einer Sprache der Seele (anima), ein freies Pulsieren der kosmischen Energie, aus der wir bestehen. Diese Sprache hat keine Nationalität, keine Zugehörigkeit, sie besteht aus den nicht reduzierbaren, unveräußerlichen und einzigartigen Energien aller Lebenden, der Energie von fremdartigen, rätselhaften aber solidarischen Individuen im Einklang mit allen Individuen, die es gewagt haben, sich von den den Regeln und Zwängen, Zugehörigkeiten und Gehorsamkeiten, Unterordnungen und Kompromissen, Gefälligkeiten und (traditionsbesetzten oder experimentellen) Schulmeinungen loszulösen. Bei Henri Chopin heißt es Basta und Lasst alles los, nämlich Eintauchen ins Unbekannte, Erforschen des inneren Stimmraums, der anderen Seite der Stimme, eine Art Unterwasserfahrt, Speleologie der unerforschten Gänge und Grotten der Stimmritze, der Gurgel, dem Bauch und der Lunge dort, wo der Atem (pneuma) produziert wird. Henri Chopin ist der Erforscher des unendlichen Luftraums mittels seiner elektronichen Geräte, die er allerdings nie dazu benutzt, um sich irgendwelchen künstlichen Tonexperimenten zu verschreiben.
Es bleibt immer lebendig, eine energetische Schwingung der pulsierenden kosmischen Seele."
Michel Giroud, in Alpina - August 2004.
zitiert nach erratum.org, wo Sie auch noch andere Performances von Henri Chopin und nachstehende Hommage von Raoul Hausmann finden können.
HENRI CHOPIN
On ne comprend pas bien
si c’est chaud ou pin
ou le pain chaud
pourquoi alors Henri
si tout le monde pense Frédéric
mais voilà : ce n’est pas l’habitude
et on préfère le train-train
au lieu de s’imaginer quelqu’un
qui est quelqu’un
un réel Chopin
sans pain, ni peine
ni choppe, ni chaud
simplement tout naturellement
quelqu’un plus que quelqu’un
un Henri Chopin
du commencement de la tête
jusqu’à la fin têtu
enfin : c’est Chopin et Henri
pas question de Frédéric, sic !
Henri entouré de grands noms
est un Chopin pour de bon !Raoul Hausmann, 1966.